Montag, 28. Januar
Nach einem anstaendigen Fruehstueck im Hotel besorge ich mir ordentlich Reiseproviand fuer die 18-stuendige Fahrt nach Tarapoto (von wo aus ich dann nach Yurimaguas weitereisen will, dort hat es Boote nach Iquitos). Typisch schweizerisch kaufe ich viel zu viel ein - denkste. Morgen wird sich der grosse Vorrat als aeusserst wertvoll erweisen. In der Einkaufstuete: 3 Liter Wasser, neun Mini-Bananen ("Manzanos"), ein Snickers, vier Schoggi-Stengeli, zwei dunkle Broetchen, ein Kaes-Schingge-Gipfeli.
Um viertel nach zwoelf stehe ich am Busbahnhof, wie immer ein irres Gedraenge. Als ich fuer eine Frage brav am Schalter anstehe, draengen sich einige Leute einfach vor, bis ich mich so nahe an den Tisch stelle, dass niemand dazwischen kann. Unverschaemtes Pack.
Wie erwartet hat der Bus etwa eine Stunde Verspaetung. Ich komme mit einem jungen Peruaner namens Edson ins Gespraech, als er mir erklaert, man muesse fuer den Koffer ebenfalls ein Ticket loesen. Ich lerne seine Familie kennen, die in Iquitos wohnt. Diese 400'000-Einwohner-Stadt liegt im peruanischen Regenwald am Amazonas (bzw. Nebenfluessen) und ist vom restlichen Peru aus nur ueber Wasser oder Luftweg erreichbar.
Ich habe ausreichend Zeit, mich mit der Familie Escobar zu unterhalten, denn der Bus hat eine Stunde Verspaetung. Die unangenehme Ueberraschung: Es ist kein moderner Bus wie der gestern, sondern eine alte Klapperkiste mit wenig Platz fuer die Beine. Schade, aber die einzige Alternative waere, eine weitere Nacht in Piura zu verbringen, was mir ebenso unattraktiv erscheint.
Ich sitze neben einem kleinen Jungen, immerhin laesst das doch einigen Raum. Nach etwa drei Stunden Fahrt regnet es mir aus dem vorderen Fenster ins Gesicht. Ich frage die Frau, die mit ihren vier Kindern reist und von denen der Zweitjuengste die 18 Stunden stehend verbringen muss, ob ich das Fenster schliessen darf. Sie bejaht. Leider sehe ich nicht, dass die kleine Tochter ihre Finger im Fensterrahmen hat. Die alten Scheissfenster sind nur mit Kraftaufwand zuzukriegen, und als es dann zuknallt, faengt das junge Maedchen an zu kreischen. Ihr Finger ist ziemlich laediert, das Fenster hat ziemlich tief in ihren Finger geschnitten.
Scheisse. Ich fuehle mich ziemlich unwohl, das Maedchen heult wie am Spiess. Die Mutter nimmt das Ganze aber wesentlich gelassener. Die Menschen hier (im Bus befinden sich ausser mir nur Einheimische) haben eine andere Einstellung zum Thema leiden.
Ich rede nochmal mit der Mutter. Sie fragt, ob ich beim Chauffeur ein Pflaster besorgen koennte. Mein Notverbandskasten befindet sich natuerlich weit weg im Gepaeckraum. Eine halbe Stunde spaeter gibt´s einen Verpflegungshalt, und der Busbegleiter wickelt dem Maedchen ein Pflaster um den Finger. Die Sache ist gegessen. Die Familie des Maedchens setzt sich um eine Schuessel herum und isst von Hand undefinierbare Nahrung, waehrend einige besserbetuchte Passagiere sich in der "Raststaette" verpflegen (ich zehre ein wenig von meinem Vorrat).
Die Familie des Maedchens ist offensichtlich sehr arm. Bei diesem Anblick, wie diese Familie wie Tiere am Boden aus einer Schuessel fressen komme ich mir als bestens verpflegter Touri doch mindestens etwas seltsam vor.
Waehrend der Pause unterhalte ich mich noch ein wenig mit der Familie Escobar, die dem Mittelstand angehoert. Der Vater arbeitet bei einer Oelgesellschaft.
Dann geht die Busfahrt weiter durch die Anden. Bis die Klapperkiste um ca. 2.30 Uhr morgens stehenbleibt. Irgendwo im Nichts in den Bergen.
Freitag, 8. Februar 2008
Fahrt ins Nichts
Eingestellt von Mike
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