Samstag, 2. Februar
Fuer peruanische Verhaeltnisse exorbitant puenktlich holen mich Alex und sein Fahrer um 06.50 morgens beim Hostal ab. Mein Magen rumort etwas, aber das ist mir Wurst. Wir fahren aus Iquitos hinaus und ueber die vor etwa zwei Jahren fertiggestellte Landstrasse nach Nauta, das etwa eine Stunde fahren entfernt liegt. Die Strecke ist schoen und fuehrt durch eine Halbregenwald-Landschaft - offensichtlich hat man fuer die Strasse eine breite Schneise gerodet. Brandrodung scheint hier "in" zu sein - wir fahren an mehreren Rauchsaeulen vorbei, wo kurzfristig kalkulierende Bauern die duenne Humusschicht des verbrannten Regenwalds auslaugen werden.
Alex erzaehlt waehrend der Fahrt ueber seine interessante Familiengeschichte (siehe gestern), und bald arrivieren wir in Nauta, das von Indianern gegruendet und in den Jahren von immer mehr Zuzuegern bevoelkert wurde.
Nauta sieht aus wie die meisten Doerfer und Staedtchen in Peru: Viel Markt, viel Verkehrsirrsinn, etwas heruntergekommene Bauten und sich von den Umstaenden nicht abschrecken lassende Einwohner.
In einem Cafe treffe ich drei Buendnerinnen, die eigentlich ebenfalls fuenf Tage im Regenwald gebucht haben, aber nach drei Tagen haben sie kapituliert. Eine ist krank geworden, die anderen haben genug von den Moskitos. Ich lasse mich aber nicht abschrecken und ziehe die Sache durch.
Hier lerne ich auch Lucho kennen, meinen Guide. Ihm fehlt mit 30 bereits die Haelfte der Zaehne, was ihm aber nicht sehr zu schaffen macht. In Libertad, dem kleinen Regenwald-Doerfchen abseits der Zivilisation, wo er mit Frau und drei Toechtern wohnt, gibt´s halt keinen Zahnarzt. Und mit seinem bescheidenen Lohn liegt ein Besuch beim Zahnprothesenmacher wohl auch einfach nicht drin.
Ebenfalls im Cafe: Nicole, eine Genferin mit Suedamerikanischen Wurzeln, die mich auf rund 16 Jahre schaetzt. Wenn es so weitergeht, werde ich bald wieder in die Primarschule zurueckkehren.
Nachdem sie mein wahres Alter erfahren hat, ist sie umso begeisterter und gibt mir ihre Nummer, damit ich mir von ihrer in Lima wohnhaften Schwester die Stadt zeigen lassen kann. Ja, darauf komme ich gerne zurueck.
Nach dem Kaffee fuehrt Lucho mich zu einem Boot mit Palmenblaetter-Dach und Aussenmotor. Wir fahren ueber den Fluss, der etwa dreimal so breit ist wie der Rhein, dann geht´s ueber einen natuerlichen Schilfkanal in die Tiefen des Regenwalds. Wir kommen an Libertad vorbei, Luchos Wohnort. Ein Dorf, in dem es Elektrizitaet nur zwischen 18.00 und 21.00 Uhr und ansonsten wenig weltlichen Komfort gibt.
Die Fahrt dauert insgesamt etwa eine Stunde, bis wir dann beim "Basic Camp" ankommen. Es handelt sich um ein Haeuschen mit Palmenblaetterdach und stehend auf Holzpfaehlen. Waehrend es in diesen Monaten einen Art Hof gibt, wo Huehner herumgackern und drei ausgemergelte, von Insekten geplagte Koeter herumstreunen, ist dieser ab April vom Fluss ueberschwemmt.
Das Haus wird von einer Frau Ende vierzig bewirtschaftet. Weitere Bewohner: Ein 32-Jaehriger (der Fuer Dinge wie das Saeubern des Plumpsklos zustaendig ist) und dessen herziger Sohn Yordi, der sich den lieben langen Tag lang weitgehend selbst amuesieren muss, da das naechste Kind eine viertelstuendige Kanufahrt entfernt lebt. Die Aufgabe eines weiteren Hausbewohners, ebenfalls um die dreissig, ist nicht naeher eruierbar.
Zwischen den Stuetzpfosten auf der Wohnplattform baumeln Haengematten, in denen ich einige Zeit verbringen werde. Zum Beispiel die halbe Stunde, bevor das Mittagessen serviert wird. Diese Mahlzeit ist wegweisend fuer die naechsten Tage: Reis mit Poulet und Gemuese ist die Speisekarte fuer saemtliche folgenden Mittag- und Abendessen.
Nach dem Mittagessen nochmals eine Haengematte-Siesta, bis Lucho mir die Gummistiefel bringt, um in den Dschungel zu gehen. Mir ist inzwischen klar geworden, was die Buendnerinnen mit der Moskitoplage meinten: Ich bin zwar langaermlig und eingesprayt unterwegs, aber die Viecher stechen einfach ueberall hindurch, selbst durch die Haengematte. Immerhin versichert mir Lucho, dass Malaria in dieser Gegend kein Problem sei. Also gewoehne ich mich einfach an die Moskitos.
Die zweistuendige Wanderung durch den Urwald ist spannend. Wir finden Spuren von Jaguars, Anacondas und anderen furchterregenden Tieren. Ich bin eher froh, diesen Fleischfressern nicht zu begegnen. Mein Kopf wird uebrigens permanent von Moskitos umkreist.
Dieser urspruengliche Wald ist sehr beeindruckend, faszinierend und fuer einen Vollblutstaedter wie mich zugleich etwas beangstigend, in Anbetracht der maechtigen Raubtiere. Rational betrachtet ist die Gefahr, von einer Anaconda verschlungen zu werden, aber wohl wesentlich geringer, als in Basel von einem Lastwagen ueberkarrt zu werden. Naja, selektive Gefahrenwahrnehmung halt.
Nach dem Marsch gibt´s Reis und Poulet. Nach einer weiteren Siesta fahren wir per Kanu zu Porto Miguel, einem kleinen Weiler, der das Zentrum der hiesigen Flussanwohner bildet. Die Reggaeton-Musik erklingt kilometerweit durch den Wald, und es stellt sich heraus, dass man riesige Boxen und einen Stromgenerator in dieses Porto Miguel verfrachtet hat. Auf einem Platz befindet sich ein Pfosten mit einer Gluehbirne darauf, das ist die Tanzflaeche. Die andere Gluehbirne erhellt das DJ-Pult. Man bedenke: Mitten im Dschungel. Ab 21.00 Uhr treffen immer mehr Partywillige per Kanu ein, und die Fete beginnt zu laufen. Das Grauen packt mich kurzzeitig, als aus den Boxen doch tatsaechlich das 80er-Synthieverbrechen "You´re My Heart, You´re My Soul" erklingt.
Leider ist mein Magen noch immer fragil, und die drei grossen Bier helfen sicher nicht mit, die Situation zu verbessern. Um zwoelf bin ich bereits am Ende und fahre zurueck, nachdem gerade der hiesige Regenwald-Karneval begonnen hat. Durchfall kommt halt immer zur falschen Zeit.
Donnerstag, 14. Februar 2008
Eingestellt von Mike
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